erste Woche 1

Seit einer Woche habe ich nichts mehr geschrieben und zumindest meine Schwester wartet auf Neuigkeiten. Wenn man privat untergebracht ist, dann kommt man weniger dazu als in einem unpersönlichen Hotel, wo man abends eigentlich gar nichts anderes machen kann als schreiben. Hier gibt es immer Kontakte, oder man sitzt noch bei einem Glas Wein zusammen, was für das Schreiben nicht besonders förderlich ist. Auch bin ich oft am Abend sehr müde und gehe nach dem Essen ins Bett, morgens muss ich mit Sue aufstehen und in die Schule fahren. Dass ich auch tagsüber manchmal so schlapp bin, liegt, glaube ich, weniger am Jetlag als an der grundsätzlichen Klimaumstellung. Melbourne liegt am Meer, und das Meeresklima und seine Folgeerscheinungen kenne ich von Portugal. Ich werde also die Ereignisse der Woche jetzt nicht chronologisch auflisten, sondern über das berichten, was mir wichtig erscheint, und vor allen Dingen, was ich behalten habe.

Melbourne steht in einem internationalen Ranking für the most livable cities seit Jahren an oberster Stelle. Erst sehr viel später erscheinen deutsche Städte, und überraschenderweise ist Hamburg die erste. Das wusste ich schon von Deutschland, aber ich möchte natürlich wissen, wie das kommt. Ich selbst bin allerdings auch nach einer Woche noch der Meinung, dass der most livable place für mich mein Haus und mein Garten ist. Sue fragte Mr. Google, die Bewertungsmaßstäbe könnt ihr unter folgenden Links selbst finden.

http://www.stern.de/reise/fernreisen/ratgeber-australien/metropolen/melbourne–die-beste-stadt-der-welt-3923468.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/staedte-ranking-hamburg-unter-zehn-lebenswertesten-staedten-der-welt-a-1108290.html

Ein ganz starkes Argument ist natürlich die Lage am Meer. Melbourne liegt im Inneren einer riesigen Bucht, sozusagen ein Hafen mit gigantischen Ausmaßen. Am ersten Sonntag fuhren Sue, Simon, ihr Freund, und ich bis zum Ende der Halbinsel auf der Ostseite kurz vor die Einfahrt, wo der Ozean in dieses Binnenmeer mündet. Auf halber Strecke liegt ziemlich nah am Strand ein 300 m hoher Hügel, von dem man einen grandiosen Blick hat auf mindestens 50 km Sandstrand. Selbst bei Hochbetrieb kann man wohl hier eine Stelle finden, wo man nicht 50 cm neben dem nächsten Touristen zu liegen kommt.Hinterland.jpg

Auf dem Berg war eine Orientierungstafel angebracht: Mornington Peninsula Hinterland. Mir fiel natürlich sofort der Blick vom Ockershäuser Hasenkopf auf das Marburger Hinterland ein. Dass es dieser Begriff ins Englische gebracht hat, ist schon erstaunlich. Sue ergänzte den „Zeitgeist“, einen Terminus, den der australische Ministerpräsident sehr häufig anwende, und die Schadenfreude, ein Kompositum, das wohl die Australier insgesamt sehr fasziniert.

Die Bebauung entlang der Küste unterscheidet sich kaum von Strandpromenaden anderer Länder, mich interessierte mehr die Vorstellung, wie hier die ersten Europäer um 1800 hier gelandet waren. Eine Infotafel hatte zumindest ein fotografische Ansicht vom späten 19. Jhdt zu bieten.

 

Gestern waren wir nun mit der ganzen Gruppe auf Phillip Island, das östlich von der Peninsula liegt. Das war ein von Angelika sehr gut vorbereiteter Ausflug, dem Sue und ich eher reserviert gegenüberstanden. Ich hatte beim Vorbereiten der Reise während des Bügelns, das ich mir durch gleichzeitiges Fernsehen etwas angenehmer mache, zufällig eine kleine Reportage über die Pinguinparade auf der Insel gesehen, die ein paar Pinguine und eine Menge Touristen zeigte, nichts nach meinem Geschmack. Aber ich war schließlich begeistert und auch Sue musste eingestehen, dass sie einem Vorurteil aufgesessen war. Die Landschaft ist einfach grandios. Zunächst waren wir auf Churchill Island, hier sind die ersten Siedler um 1800 angekommen und müssen, nachdem sie in England glücklich dem Galgen oder dem Verhungern entkommen waren und als Alternative auf ein Schiff nach Australien gesetzt wurden, ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit gehabt haben, die allerdings nicht umsonst zu haben war. Alles musste neu aufgebaut werden und deshalb haben die Australier den Mythos des Siedlers sozusagen im kollektiven Unbewussten verinnerlicht. Ein Bild, das ich zufällig in einem Museum aufnahm, zeigt das sehr schön.

Ich war von der Landschaft fasziniert, denn es gibt weite Strecken, die diesen Charakter von Bildern des 19. Jahrhunderts aus dem Museum erhalten haben, ein Arkadien, wie ich es mir ersehne. Allerdings konnte Angelika nicht umhin, meine Phantasie etwas zu zügeln mit Geschichten von Giftschlangen und Giftspinnen, die überall in der Natur darauf lauern, eindringende Menschen zu bestrafen. Ihre australischen Verwandten können wohl Einschlägiges berichten, allerdings relativierten Sue und der Busfahrer diese Horrorgeschichten etwas mit dem Hinweis, in Melbournes Vororten sei dies nicht so schlimm. Zumindest an manchen Stellen muss man beim Baden wie auf dem Bild aber wohl vorsichtig sein. Das folgende von Churchill Island, einem Reservat, das die Ursprünglichkeit der Natur erhalten will, gibt aber den Eindruck ganz gut wieder, etwa Hundert Meter vom Strand aufgenommen. Weitere Bilder zeigen die Küste von Churchill Island. Leider hatten wir nur eineinhalb Stunden Zeit, hier könnte man den ganzen Tag zubringen.

 

Churchill Island war nur die erste Station unseres Tagesausfluges gestern. Als nächstes besuchten wir ein Koala-Reservat. Diese Tiere, die 20 Stunden täglich schlafen, weil sie eine Diät bevorzugen, die, auf den Menschen bezogen, nur den Gegenwert einer kleinen Schüssel Körner umfasst, sind wirklich so putzig, wie sie immer beschrieben werden. Wir könnten Sie aus nächster Nähe sehen und kamen zur Belustigung der Umstehenden auch in Kontakt mit ihrem Urin. Ein von unserer Gruppe übersehenes Tier direkt über uns sah wohl keine andere Möglichkeit, sich gegen die touristische Zudringlichkeit zu wehren, als uns auf diese Weise zu erschrecken. Auch ich bekam ein paar Tropfen ab und so können wir sagen, dass wir zu richtigen Aussies getauft wurden.

Weiter ging es zu einem touristischen Zentrum, das an einem spektakulären Platz an der Küste liegt. Dort gab es Interessantes zur Antarktis zu sehen und wir hatten besonderen Spaß an der Animation auf der Eisscholle und der Wärmebildkamera, die uns erläuterte, dass wir, Angelika und ich, wohl kaum dort überleben können.

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