erste Woche 3

Gestern konnte ich nicht weiter schreiben, und es ist wohl auch ganz gut, wenn die Texte nicht so lang werden, dann wird der Blog vielleicht etwas übersichtlicher.

The most livable city…..ich bin etwas befremdet. Ich neige dazu, Melbourne mit Berlin zu vergleichen, die einzige ähnlich große Stadt, die ich kenne. Berlin hat ja mehrere Zentren ganz unterschiedlicher Art, Melbourne nur eines, und das kann man gut zu Fuß durchmessen. Angelika zeigte mir am dritten Tag diese Downtown. Wir fuhren mit der Train, vergleichbar der Berliner S-Bahn. Das Netz ist nicht gut ausgebaut, sondern nur sternförmig auf das Zentrum ausgerichtet. Wer von einem Stadtteil zum nächstgelegenen will, muss erst in die Innenstadt fahren, so kann man leicht ein bis zwei Stunden in der Bahn sitzen, denn die Distanzen sind riesig, ohne Auto ist man hier verloren. Aber Sue fährt von ihrem Haus auch manchmal mit dem Rad in die Innenstadt, stattliche 30 km. Das habe ich auch demnächst vor mit Simons Rad, denn die Radwege sollen schön ausgebaut sein und an vielen Parks vorbeikommen. Gestern fuhren wir zu einem griechischen Restaurant in einem anderen Stadtteil, um uns mit Anastasia, der anderen Lehrerin des Austausches zu treffen, eine Odyssee vorbei an gefühlten Hunderttausenden von Einfamilienhäusern. Diese Vorstädte sind in meiner Wahrnehmung alle gleich mit dem Unterschied, dass die Größe der Häuser und ihre Ausstattung variiert. Im Zentrum einer solchen Urbanisation aus Fallerhäuschen vom Umfang Schönebergs und Steglitz zusammen steht ein Shoppingcenter, wo man alles bekommt, was man zum täglichen Leben braucht. Daneben kleine Läden und Restaurants, alle höchstens zwei Stockwerke umfassend, höhere Häuser kommen praktisch nicht vor. Von Sues Haus brauche ich in unser Zentrum zu Fuß 30 Minuten, das ist relativ nahe. Auf die Fassade und den Vorgarten der Häuser legt man sehr viel wert, aber hinter den Häusern ist oft nur noch ein kleiner Streifen, und dann kommt ein hoher Holzzaun. Geradezu grotesk mutete das direkt an unserer Partnerschule an. Ein Randstück des riesigen Campus wurde abgetrennt und verkauft. Nun stehen dort angeblich sehr teure Einfamilienhäuser direkt vor einem Bretterzaun, an den der Sportplatz der Schule grenzt. Ich wunderte mich sehr darüber, wie man auf so kleinen Grundstücken so große Häuser bauen konnte. Als wir dann einmal von der Schule zur nächsten S-Bahn-Station gingen, kamen wir an der Vorderfront dieser Häuser vorbei und ich war vollkommen verblüfft über die aufwändigen Zugänge und Vorgärten, die in keinem Verhältnis zur Größe des rückseitigen Gartens stehen. Reichen Chinesen gehören diese Häuser und sie kaufen sich in Melbourne überall in den wohlhabenderen Vierteln ein und lassen ihre Kinder dort zur Schule gehen. Das Wesley College, unsere Partnerschule, profitiert von dem starken chinesischen Interesse, denn die Schulgebühren sind für unsere Verhältnisse horrende. Aber nicht wenige Australier fürchten, dass ihr Land einmal zu einer Kolonie Chinas wird, trotz der Tatsache, dass Australien ein klassisches Einwandererland ist. Das sieht man an den vielen unterschiedlichen Menschen und vor allem auch an den Restaurants, die Gerichte aus aller Welt anbieten. So fand ich an einem Café in einem Einkaufszentrum pasteis de nata, die ich von Portugal kenne. Auch der Grieche, bei dem wir waren, unterschied sich von dem, was bei uns üblicherweise unter diesem Label angeboten wird. Angelika, die Süßes liebt, isst vorzugsweise scones with clotted cream, dazu eine Kanne Tee, das nennt man Devon creamtea und sie kennt es aus ihrer Zeit als Studentin in England.

Die City, in der ich mit Angelika unterwegs war, ist eindrucksvoll in ihrem Wechsel von älteren Häusern und Neubauten, auch Hochhäusern. Beim ersten Besuch reichte es nur zu einem kurzen Umschauen und einem Galeriebesuch.

Hier interessierte mich besonders die Abteilung des 19.Jhdts, aus der zwei schon gezeigte Fotos stammen, weil ich gerne die heutige mit der damaligen Landschaft vergleiche, was auch bei der Fahrt nach Ballarat, von der ich später berichte, zu der Erfahrung führte, dass sich zwischen damals und heute über weite Strecken des Landes nichts geändert hat: einsame Farmen oder Herrenhäuser in einer bis zum Horizont reichenden Graslandschaft mit einzelnen Baumgruppen. Das letzte Bild zeigt einen Blick vom Bus auf der Rückfahrt von Ballarat auf die City.

 

Ballarat bzw. Sovereign Hill ist für die Australier sehr wichtig, denn hier kam es zum großen Goldrausch des 19.Jhdts., nachdem man wohl direkt an der Oberfläche Gold gefunden hatte. Menschen aller Herren Länder kamen hier her, um reich zu werden, den meisten gelang es wohl nicht. Als Beispiel diente die ganz nett auf die Felswand im Besucherbergwerk projizierte rührende Geschichte von zwei chinesischen Brüdern, von denen der eine verschüttet wurde, der andere mit einem riesigen Klumpen Gold an die Oberfläche zurückkehrte und später zum wohlhabenden Mann wurde. Dies erfreute wohl besonders die chinesischen Touristen, die wir hier zu Hunderten sahen.Tatsächlich hat man selbst in jüngster Zeit noch ziemlich beachtliche Nuggets mit elektronischen Sensoren gefunden, man kann sie im Goldmuseum besichtigen. 

Man hat die Stadt nach den alten Fotos und Vorlagen zum Teil wieder aufgebaut, man kommt sich vor wie in der Filmkulisse für einen Western. Interessant wird es aber dadurch, dass man auch die Bewohner sozusagen wieder mit hat aufleben lassen, Schauspieler in Kostümen der Zeit beginnen plötzlich mitten in einer Touristengruppe mit alltäglichen Szenen. Man kann in einer alten Bäckerei oder Apotheke einkaufen, sich im Stil der Zeit fotografieren lassen und sogar ins Theater gehen, denn die wohlhabende Stadt konnte sich auch das leisten.

Auch kann man einen Blick in ein Hotel, die Wohnhäuser und Behausungen der Goldgräber werfen und die bürgerliche Behaglichkeit bzw. Armseligkeit betrachten.

Australische Schulkinder kommen hier regelmäßig her, übernachten ein paar Tage und werden in die Lebensweise der Vorfahren eingeführt. Dazu tragen sie die entsprechenden Kleider und müssen sich so verhalten, wie man das damals von Kindern erwartete, Disziplin, Gehorsam usw. stehen weit mehr im Vordergrund als heute.

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